Nachruf von Dr. Ulrich Schlüer (Schweizerzeit)

Mit dem am 15. Januar 2014 verstorbenen Professor Wilhelm Hankel ist die Stimme eines der überzeugendsten Verfechters einer auf Freiheit und Selbstverantwortung beruhenden Währungsordnung und damit eines der schärfsten Kritikers des Euro für immer verstummt.

Wilhelm Hankel war zweimal, am 7. November 1998 und am 7. November 2009 Hauptreferent an einer «Schweizerzeit»-Herbsttagung. Sein Tod veranlasst uns, Worte, die er am 7. November 2009 gesprochen hat, in Erinnerung zu rufen – seine in keinem einzigen Wort veraltete Kritik am nicht durchdachten, überrissenen, frivolen, ja verbrecherischen Konzept der Einheitswährung.

 

Auszüge aus seinem wegweisenden Vortrag von 2009:

 

Währungssozialismus

 

«Was die Kritiker befürchteten, ist längst sichtbar geworden. Das Gemein-Eigentum an der Währung hat unter ihren Benutzern die gleiche individuelle – in diesem Fall nationale – Verantwortungslosigkeit für das Eigentum hervorgerufen, wie man es vom Kolchosen- oder Volkseigentum her kannte: Niemand ist wirklich an seiner Erhaltung und Pflege interessiert. Dergleichen überlässt man anderen oder «der Allgemeinheit».

 

Schon bald nach der Einführung des Euro sprach der tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus von «Währungssozialismus», und er meinte damit, dass sich die Benutzer der kollektiven Währung wie monetäre Trittbrettfahrer verhielten: Jeder würde versuchen, sich auf Kosten der anderen zu bereichern.

 

Genau das ist eingetreten. In den zehn Jahren seit Einführung der Gemeinschaftswährung hat sich keines der früheren Schwachwährungsländer der EU an die im EU-Vertrag und in den (der Deutschen Bundesbank nachgebildeten) Statuten der Europäischen Zentralbank (EZB) festgelegten Regeln der Währungs- und Haushaltsstabilität gehalten. Die früheren Schwachwährungsländer (von Irland über Portugal, Spanien, Italien bis Griechenland) blieben monetär und fiskalisch so undiszipliniert, wie sie es schon vorher gewesen waren. Nur hatten sie jetzt einen Freibrief. Die Zeche zahlten andere. Wenn sie nach Einführung der Einheitswährung kräftig über ihre Verhältnisse lebten, Jahr für Jahr mehr konsumierten als ihre wirtschaftliche Leistungskraft (messbar am BIP) erlaubte und mehr investierten als ihnen an Ersparnissen zur Verfügung stand, dann konnten sie alles mit Schulden bezahlen, ohne ihr Konto zu erschöpfen und ohne ihre neue Währung, den Euro, einem Abwertungsdruck auszusetzen. Denn sowohl ihre Kreditwürdigkeit als Schuldnernationen wie den Wechselkurs des Euro garantierten andere: Die wenigen stabilen Überschussländer der EWU.»

 

Auf Verschuldung ausgelegt

 

«Die Europäische Währungsunion (EWU) als Ganzes leistete sich ab 2006 zunehmend Leistungsbilanzdefizite gegenüber dem Ausland. Doch die EZB verschleiert ihre wahre Höhe bis heute durch einen simplen Trick: Sie veröffentlicht nur die Zahlen für die EWU als Ganze und lässt offen, wie sich Defizit und Überschuss national verteilen. Würde sie das nämlich tun, würde allgemein (und international) offenbar werden, dass den Rekordüberschüssen Deutschlands (des Export-Welt- bzw. Vizemeisters) und den in Bezug auf ihr BIP beachtlichen Überschüssen der Niederlande, Österreichs und Finnlands noch grössere Defizite der Euro-Schuldengemeinschaft gegenüberstehen. Im letzten Normaljahr vor der Krise (2007) waren es bei einem Gesamtdefizit der EWU von über rund 20 Milliarden Euro über 250 Milliarden Euro!»

 

Rette sich, wer kann!

 

«Die Weltfinanzkrise entlarvt EU und EWU als Schönwetter-Schiffe. Nicht der Eisberg auf der Route bedroht sie, sondern ihre Leichtbauweise. Diese macht ihnen bei schwerer See zu schaffen. Die Gefahr, dass die Traumschiffe der Europäer sinken könnten, ist nicht mehr von der Hand zu weisen. Was ist zu tun? Auch für Staaten gilt: Rette sich, wer es noch kann!»

 

Selbstmord auf Raten

 

«Die Umverteilung zwischen Gesunden und Kranken ist weder mit den in den Verfassungen der EU-Staaten niedergelegten nationalen Staatsaufgaben noch mit den Gesetzen der Marktwirtschaft vereinbar – und auch nicht mit den Normen bürgerlichen Rechts und der Moral!

 

Wenn sich die EU auf eine solche Politik festlegt, plant sie damit nichts weniger als ihren Selbstmord auf Raten. Sie tritt in die Beweisaufnahme für die Nicht-Realisierbarkeit ihres höchsten Zieles ein, gemeinsamer Staat für alle Europäer zu werden. Europas Bürger leben in ihren Staaten, nicht in einem Abstraktum namens EU. Sie erwarten von ihren Staaten (nicht von der EU!) Schutz und Hilfe in schwieriger Zeit.

 

Die gewählten Regierungen dieser Staaten lernen jetzt, in der Krise von heute, dass sie alles riskieren: Ihre Glaubwürdigkeit, ihre Handlungsfähigkeit, ihre Wählbarkeit – wenn sie ihre Bürger enttäuschen. Warum? Weil sie sich dem Diktat einer fremden Währung (und deren Verwalterin) und den Massnahmen einer Fremdregierung ausliefern, deren Ziel nicht das Wohl ihrer Bürger, sondern eine politische Utopie ist: Ein Vielvölkerstaat, der alles in den Schatten stellt, was es in der Geschichte des alten Kontinents je gegeben hat: Habsburg, das Zarenreich, die Sowjetunion, ja selbst das Alte Rom, das immerhin durch eine gemeinsame Sprache und eine von allen erstrebte Kultur zusammengehalten wurde – und auch das nicht für ewig.»

 

Dr. Ulrich Schlüer

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Kommentare: 6
  • #1

    W.Steiner (Sonntag, 23 März 2014 11:07)

    Sehr geehrter, Dr. Schlüer,
    ich habe Ihren Nachruf mit großer Sorgfalt und in achtungsvoller Erinnerung an Herrn Professor Dr. Hankel gelesen. Sein Weitblick und seine stets verständliche Argumentation in Sachen Einheitswährung haben mich immer begeistert und meine Sensibilität in Sachen europäischer Entscheidungen anwachsen lassen. Als Deutscher bin ich dieser Entwicklung ungewollt ausgeliefert und muss täglich erkennen wie recht Professor Dr. Hankel hatte. Ich danke Ihnen auf diesem Wege recht herzlich für diesen Nachruf. Es ist immer wieder ein tröstendes Gefühl in Mitten aberwitzigen Entscheidungen Menschen zu hören die wissen was Sie sagen und auf einer Sachebene Gründe darzulegen wie Sie selbst der "Dümmste" verstehen müsste. Dies hat mich unter anderem dazu bewegt in die AfD Alternative Partei Deutschlands einzutreten.

    Hochachtungsvoll
    Wolfgang Steiner

  • #2

    Angelika (Samstag, 19 April 2014 10:47)

    Sehr geehrte Frau Hankel,

    ich habe Ihren Mann bei seinen Vorträgen immer sehr bewundert, mit welcher Leichtigkeit, Selbstssicherheit, Erfahrung und sprachlichem Talent er mit sanftesten Worten eine Realität beschreibt, Szenarien darstellt die entlarven.

    Seine Logig ist unschlagbar. Die Zusammenhänge glasklar. Wir hätten ihn alle noch viel länger gebraucht um mitzuhelfen das der Euro-Wahn bald ein Ende nimmt. Ich und mein Mann unterstützen all seine Gedanken und werden diese weiter tragen. Auch wir sind deswegen der AfD beigetreten.

    Herzliches Beileid

  • #3

    Meier Pirmin (Montag, 21 April 2014 19:59)

    Professor Hankel gehörte zu den wenigen deutschen Libertären, deren Stimme auch regelmässig in der Schweiz gehört wurde, vergleichbar mit Roland Baader und Prof. Habermann. Von der Generation her war er indes wohl zu jung, um bei der personell noch zu wenig gut besetzten, sich noch mit politischen Kinderkrankheiten herumschlagenden Alternative für Deutschland eine Leaderfigur zu werden. Sich aber nach ihm zu orientieren, wäre für kritische Diskussionen innerhalb und ausserhalb der Europäischen Union in manchem wegweisend. Weder ein Schwätzer noch ein Fanatiker, hat er über Jahre hinweg seine Stimme auf besonnene Weise erhoben. Der Nachruf ist auch eine publizistisch würdige Leistung, der Mann dient in Erinnerung behalten zu werden, hätte auf seine Weise wohl mal eine Reader's Digest-Auszeichnung als alternativer Europäer des Jahres verdient, wie seinerzeit Hirsi Ali und erst dieses Jahrn der Schweizer Alternativpolitiker Thomas Minder. Auch EU-Kritiker sind Europäer, gerade sie, das Andenken Wilhelm Hankels soll daran erinnern.

  • #4

    Meier Pirmin (Montag, 21 April 2014 20:05)

    Es muss natürlich heissen: "Von der Generation her war er leider zu alt", nicht zu jung, um jetzt noch für die eurokritische Bewegung in Deutschland eine Leaderfigur zu werden. Habermann gehörte in die Generation von Helmut Kohl, in der Schweiz Hugo Loetscher, der sich zwar stets zur Globalisierung bekannte, Nationalismus jeder Spielart kritisierte, zuletzt aber wie viele andere in der blossen Verschiebung der Aussengrenzen auch nicht mehr die angemessene Wahrnehmung von Verantwortung gegenüber der Welt sehen konnte.

  • #5

    simbo (Sonntag, 22 Juni 2014 22:02)

    Ich bin zufällig auf diesen Artikel gestossen. Seien Sie versichert, liebe Frau Hankel, dass ich Ihren Mann , der sich immer mit klaren Worten ausgedrückt hat, sehr vermisse.
    Für jeden demokratisch denkenden Menschen wird er immer ein Vorbild bleiben
    Ich habe mit Ihnen getrauert, liebe Frau Hankel. Leider gibt es solche Kämpfer für die Gerechtigkeit je länger je weniger,
    Ihr Mann ist ein Held und ein Vorbild für viele Menschen,

  • #6

    Jutta Herb (Mittwoch, 01 Juli 2015 13:07)

    Liebe Frau Hankel,
    Es hat mich sehr traurig gemacht zu erfahren, dass Ihr Mann nicht mehr unter uns weilt. Ich habe seine Vorträge im Internt verfolgt gehabt. Mögen sein Wissen und seine Einsicht vielen Menschen in Europa die Augen öffnen und ein Europa des Friedens und Respekts schaffen.
    Seine Gedanken und sein Wissen wird in unseren Herzen weiter leben und ich hoffe es wird die Saat für ein freies Deutschland und Europa sein. Herzliche Grüsse aus Australien